Mein Läuferinnenleben
Hier erzähle ich Euch, wie ich zu der Läuferin bzw. Lauftrainerin wurde, die ich heute bin. Jede Läuferkarriere hat ihre Höhen und Tiefen, und mit meiner war und ist es nicht anders. Aber lest selbst:
Von Wettkämpfen und langfristigen Zielen
Seitdem ich laufen kann, laufe ich: Als Kleinkind hatte ich bereits einen ausgeprägten Bewegungsdrang, und in den zahlreichen Sportarten, die ich als Kind ausprobierte, waren häufig Laufelemente zu finden. Trotzdem musste ich erst 17 Jahre alt werden, um mich für das Laufen zu begeistern. Mein Vater, zu dieser Zeit leidenschaftlicher Marathonläufer und Triathlet, überredete mich dazu, an einem 10km-Wettkampf teilzunehmen. Ich investierte ein überschaubares Maß an Training und stand dann irgendwann mit einer Handvoll von „Verrückten“ hinter der Startlinie – denn Laufen war 1988 noch weit entfernt davon, ein Massensport zu sein. Es lief im besten Sinne des Wortes gut, und ich landete in meiner Altersklasse auf einem der vorderen Plätze. Auch wenn das eher der Tatsache geschuldet war, dass einfach sehr wenige Läuferinnen in meiner Altersklasse teilgenommen hatten, war ich mit dem Laufvirus infiziert. Andere Sportarten kamen und gingen, aber dem Laufen bin ich seitdem immer treu geblieben.
Obwohl Laufen für mich zunächst nie mehr als ein Hobby war, betrieb ich den Laufsport durchaus mit einem gewissen Ehrgeiz, insbesondere im Wettkampf, denn sonst hätte ich mir ja das Startgeld sparen und stattdessen alleine gemütlich durch den Park trotten können. Anfangs lief ich noch eher kurze Strecken, aber irgendwann traute ich mich an meinen ersten Halbmarathon – im BERGischen Land, wofür ich meinen Vater (der mich auch dazu überredet hatte) heute noch verfluche. Und schließlich absolvierte ich 2002 gemeinsam mit meinen beiden Trainingspartnern meinen ersten Berlin-Marathon. Und schon wieder war ich infiziert – dieses Mal mit dem Marathonvirus. Mit Ausnahme des Jahres 2003 bin ich dann durchgehend beim Berlin-Marathon am Start gewesen, was mich 2013 in den „Jubilee-Club“ für 10maliges Finishen gebracht hat, womit ich mein langfristiges Laufziel erreicht hatte.
Wie aus einer Krise eine neue Leidenschaft wird
Wer richtig rechnet, merkt schnell, dass ich es dann wohl einmal nicht bis ins Ziel geschafft haben muss. Tatsächlich hatte ich 2004 die Auswirkungen von Schwangerschaft und Geburt auf meinen Körper unterschätzt und musste bei km 33 aussteigen. Für einen Ehrgeizling wie mich keine leichte, aber im Nachhinein total richtige Entscheidung, denn die Gesundheit geht vor! Auch wenn ich in Wettkämpfen geradezu verbissen werden kann, stehen für mich beim Laufen die Gesundheit und der Spaß an der Bewegung im Vordergrund – vielleicht ein Grund dafür, warum ich noch nie ernsthaft verletzt oder krank war. Leider kann man das von meinem Lieblingstrainingspartner nicht behaupten. Nachdem wir viele Jahre gemeinsam trainiert und unsere Schweinehunde gegenseitig in Schach gehalten hatten, schlug er sich plötzlich mit starken Kniebeschwerden herum.
Nichts half und in meiner Verzweiflung (wer sollte mir denn nun bei langen Läufen Gesellschaft leisten und im Winter mit der Stirnlampe den Weg ausleuchten!?) begann ich nach typischen Läuferverletzungen zu recherchieren. Dabei stieß ich auf die Webseite von MARQUARDT RUNNING®. Das, was der Arzt, Laufexperte und Autor der „Laufbibel“ Dr. Matthias Marquardt da so schrieb, klang einleuchtend. Also beschloss ich, bei ihm eine Ausbildung zur Lauftrainerin zu absolvieren – hauptsächlich, um meinen Laufpartner endlich wieder fit zu kriegen. Aber auch deshalb, weil ich mittlerweile Lauf-Coaching in mein Angebot als selbstständige Psychologin aufgenommen hatte und eine zusätzliche laufbezogene Ausbildung dafür sicherlich nicht schaden konnte. Im Laufe meiner Trainerausbildung bei MARQUARDT-RUNNING® überzeugte mich das Konzept so sehr, dass ich es nicht nur für mein eigenes Training nutze, sondern es seit 2012 auch anderen Läuferinnen und Läufern als Trainerin nahebringe.
Seit einigen Jahren bin ich also auch als „reine“ Lauftrainerin aktiv und unterstütze Laufanfänger:innen und ambitionierte Läufer:innen darin, effizienter und leichter zu laufen, – aber vor allem auch darin, den Spaß am Laufen (wieder) zu entdecken. Dass Laufen nicht immer leicht ist und auch nicht immer Spaß macht, kann ich aus eigener Erfahrung nachempfinden. Denn nachdem ich im Herbst 2013 mein langfristiges Ziel (Aufnahme in den Jubilee-Club) erreicht hatte, bin ich in eine Art „Laufburnout“ geraten und musste mich eine Zeitlang zum Lauftraining regelrecht zwingen. Und dann konnte ich auch noch wegen einer Grippe 2014 erstmals nicht am Berlin-Marathon teilnehmen, obwohl ich doch unbedingt die grüne Startnummer, die mich als Jubilee-Club-Member identifizierte, spazieren tragen wollte. Stattdessen stand ich mit einer Thermoskanne Erkältungstee und einer ordentlichen Portion Frust an der Strecke und war emotional am Tiefpunkt meiner Läuferinnenkarriere angelangt.
Mein ganz persönliches Runners‘ High
Glücklicherweise hatte mich ein Lauffreund einige Monate zuvor zur Teilnahme an einem Ultramarathon in Südafrika überredet. Obwohl mir gar nicht der Sinn danach stand, trainierte ich also für den Two Oceans Ultramarathon, der über 56km durch Kapstadt und Umgebung führt. Das Training dafür war hart und kostete mich echte Überwindung – aber im Nachhinein hat sich jeder einzelne Trainingskilometer gelohnt. In einem exotischen Land eine wunderschöne Strecke zu laufen, umgeben von sympathischen und freundlichen Mitläufer:innen, für die das Erlebnis und weniger die Zielzeit im Vordergrund stand, war eine sehr besondere Erfahrung. Ich hatte in der Nacht zuvor kaum geschlafen, weil mich Versagensängste plagten.
Und dann flog ich nach 56km und reichlich Höhenmetern geradezu ins Ziel – getragen von einer Mischung aus Gemeinschaftsgefühl, Erleichterung, Stolz und purer Lust am Laufen. Ich hatte das erste Mal beim Überqueren der Ziellinie Tränen des Glücks in den Augen, auch weil ich die Freude am Laufen wiedergefunden hatte. Mein Mann hatte anschließend zwar große Angst, dass ich nun mit dem Ultramarathonvirus infiziert sein könnte, aber ich freute mich einfach, dass es wieder lief mit dem Laufen.
Es war sehr lehrreich für mich zu erfahren, wie es sich anfühlt, wenn das Laufen schwer fällt und man sich buchstäblich zu jedem Schritt zwingen muss. Ich kann mich nun noch viel besser in meine Kund:innen hineinfühlen, was vor allem bei denjenigen wichtig ist, die mit dem Laufen beginnen möchten. Auch beim Berlin-Marathon 2004 aufzugeben und 2014 nicht starten zu können, waren wichtige Erfahrungen, mit denen ich meine Muskulatur für die Verarbeitung von Misserfolgen und Enttäuschungen trainiert habe. Außerdem hatte ich so die Gelegenheit, 2014 eine nette Laufkundin bei ihrem ersten Marathon zu begleiten, was fast so schön war wie selbst zu finishen.
Vom Wettkampftier zur Gesundheitsläuferin
In den darauffolgenden Jahren nahm ich immer mehr Abstand von Straßenläufen und sehr langen Strecken. Beides ist der Gesundheit nicht wirklich zuträglich, und mit zunehmendem Alter ist es mir noch wichtiger, sorgsam mit meinem Körper umzugehen. Ich genieße kürzere Läufe in der Natur, die ich gerne mit laufspezifischem Athletiktraining kombiniere. Und wenn mich die Wettkampflust packt, dann visiere ich eher landschaftlich reizvolle Trail-Läufe, Hindernisläufe, Teamstaffeln oder Halbmarathons in interessanten Städten an. Außerdem macht es mir großen Spaß, anderen die Freude am gesunden Laufen zu vermitteln, z.B. in Workshops und Seminaren zum Thema Lauftechnik oder im Personal Training.
Seit dem Abschluss meiner Ausbildung zur Lauftherapeutin am DLZ laufe ich auch mit psychisch beeinträchtigten Menschen – am liebsten mit Angstpatient:innen, weil ich selbst über Jahrzehnte an einer Angststörung litt, bei deren Bewältigung mir auch das Laufen geholfen hat. Die psychologischen Faktoren des Laufens interessieren mich generell sehr, weshalb ich gerade an meinem dritten Buch sitze, das sich der „Laufpsychologie“ widmet. Darüber hinaus bin ich seite Ende 2022 an der Lauf-Akademie tätig, die ausschließlich gesundheitsorientierte Aus- und Weiterbildungen zum Thema gesundheitsorientiertes Laufen anbietet.
Laufen ist also nicht nur ein wichtiger Schlüssel zu meinem körperlichen und psychischen Wohlbefinden, sondern mittlerweile auch ein wesentlicher Bestandteil meiner beruflichen Tätigkeit. Das macht mich glücklich, denn an der frischen Luft Körper und Gedanken freien Lauf zu lassen, ist und bleibt für mich die einfachste, natürlichste, effektivste und allerschönste Form der Bewegung.